Die Barockorgel der Stadtkirche

Nach vielen Jahren einer auf die Reformatoren Zwingli und Calvin zurückgehenden Kirchenmusik- und Orgelfeindlichkeit, bekommen zahlreiche reformierte Kirchen erst nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges ab der Mitte des 17. Jahrhundert erneut oder erstmals eine Orgel. Dazu gehört auch die alte romanische Basilika in Wermelskirchen, die Reformierte Kirche.

Da über ein älteres Vorgängerinstrument aus der katholischen Epoche keine Aufzeichnungen bekannt sind, beginnt für uns die Geschichte einer Stadtkirchen-Orgel um 1713. Das Instrument wurde als kleine Dorfkirchenorgel, wie sie im 18. Jahrhundert vom Niederrhein bis ins Bergische Land weit verbreitet war, einmanualig und ohne eigene Pedalregister konzipiert. Als Erbauer gelten der Ratinger Orgelbauer Peter Weidtmann (1647-1715) oder dessen Sohn Thomas (1675-1745). Von diesem Instrument ist heute nur noch die Fassade, der sogenannte Prospekt, erhalten geblieben.

Bergische Barockorgel der Gebr. Kleine, Eckenhagen

Das Wahrzeichen Wermelskirchens, der stattliche und durch seine architektonische Gliederung aufwändige Turm der Stadtkirche, erzählt noch heute von einer besonderen Bedeutung dieses Gotteshauses vor und nach der Reformation.

Anders als in manchen vergleichbaren Kirchbauten, z.B. in Eckenhagen (die Gebr. Kleine Orgel von 1794 wurde 2008 für 350.000 Euro restauriert) oder in Lennep, je mit über 30 Registern, wurde in Wermelskirchen jedoch kein prächtiges, barockes Orgelwerk, sondern ein auffallend spartanisch ausgestattetes Instrument installiert.

Ungewöhnlich waren die selbst für bescheidenste Ansprüche kleine Registeranzahl von 10 Stimmen und – gegenüber anderen Weidtmann-Orgeln – ein sogar noch verringerter Tonumfang des Manuals (C,D-h²). Ein dialogfähiges Nebenmanual und ein klingendes Pedal wurden nicht berücksichtigt.

Eine eindeutige Erklärung für diese „Besonderheiten“ der Wermelskirchener Orgel gibt es nicht. Es ist denkbar, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Orgelnutzung im reformierten Wermelskirchener Gottesdienstgeschehen strenge Einschränkungen auferlegt waren. Wie aus anderen Gemeinden überliefert wurde, durfte mancherorts nur psalmgebundene Musik gespielt werden. Dort, wo man keine „modernen“ barocken Virtuosenwerke hören mochte, mag man vielleicht die dazu nötigen Klangfarben und Tasten gar nicht erst installiert haben.

König-Orgel Kloster Steinfeld, Eifel

Die Weidtmanns haben eine Anzahl von Orgelwerken hinterlassen, die einander in Größe und Gestalt ähnlich sind. Schaut man sich beispielsweise im Kloster Steinfeld das Hauptorgelgehäuse an, scheint es, als habe sich Peter Weidtmann dort für die Gestaltung seiner eigenen Orgelcorpui, die auch sein Erkennungsmerkmal wurden,  „inspirieren“ lassen.

Der Prospekt der Hoerstgener Thomas-Weidtmann-Orgel aus dem Jahr 1731 (Quelle: derwesten.de) zeigt deutliche Ähnlichkeiten mit der in Wermelskirchen erhaltenen Fassade. Ob die Wermelskirchener Orgel ursprünglich front-, seiten- oder hinterspielig war, wurde nicht überliefert. Der ursprüngliche Spieltisch könnte wie auf dem hinterlegten Bild (Quelle: rp-online.de) ausgesehen haben.

Orgel in ORSOY DSCI018700000

Weidtmann Orgelgehäuse in Orsoy

Ein weiterer „Zwilling“ unserer Orgel befindet sich in Rheinberg-Orsoy. Auch das dortige Instrument wird dem Orgelbauer Peter Weidtmann zugeschrieben. Es wurde im Jahr 1680 installiert. Das Rückpositiv der Orsoyer Orgel ist eine Erweiterung aus dem Jahr 1855. Leider sind sowohl in Orsoy als auch in Wermelskirchen keine historischen Orgelpfeifen mehr vorhanden. 2015 wurde in Orsoy ein technischer Neubau für ca. 230.000 Euro durch die Firma Speith unter teilweiser Wiederverwendung von Peterschem Pfeifenmaterial seiner Bestimmung übergeben. Hinzu kamen Kosten von etwa 100.000 Euro für eine neu gebaute Empore.

Auf einer Internetseite wird die Weidtmann – Orgel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Hilversum  gezeigt, die mehrfach weiterverkauft wurde, jedoch ihre historische Anmutung und ihr angehängtes Pedal beibehalten hat.

Neubau des Kirchenraums der Stadtkirche

Im Jahr 1838-39 wurde durch Abriss und Neubau des Kirchenschiffes der Stadtkirche in Wermelskirchen mehr Raum für eine anwachsende Gemeinde geschaffen. Parallel dazu vollzog sich der Zusammenschluss von Reformierten und Lutheranern zur einer unierten, evangelischen Gemeinde. Auf den weiterverwendeten romanischen Fundamenten wurde ein klassizistischer Raum mit hoch angesetzten Umlaufemporen aufgebaut. Hierzu gab es 2014 im Rahmen einer Feierlichkeit zum 175-jährigen Bestehen eine Würdigung.

Orgel 1875 / Quelle: Bildarchiv des Bergischen Geschichtsvereins Wermelskirchen

Orgel 1875 / Quelle: Bildarchiv des Bergischen Geschichtsvereins Wermelskirchen

Die Union der Bekenntnisse hatte offenbar auch zu einer gewissen Pluralisierung der Kirchenmusik und daraus resultierenden baulichen Maßnahmen geführt, die dann im Erweiterungsbau der Kirche berücksichtigt wurden.

Der Geschichtsverein Wermelskirchen hat die beiden hier gezeigten, 1875 entstandenen Fotografien zur Verfügung gestellt. In dieser Phase des Bestehens ist das Instrument seitenspielig. Es besitzt nun einen, gegenüber seiner ursprünglichen Gestalt, erweiterten Prospekt.

Trotz der Volumenvergrößerung des Kirchenraumes wurde das kleine Barockinstrument aus dem Vorgängerbau übernommen. Es mag nach langer Nutzung überholungsbedürftig und unmodern gewesen sein, doch hielt man anstelle eines angemessenen Neubaus an der alten Orgel fest.

1839 wurde Christian Roetzel (*1776; †1867) mit Restaurierungs- und Erweiterungsabeiten am Orgelwerk betraut. Er war Orgelbauer im oberbergischen Land und lebte in Alpe. Im Zusammenhang mit Roetzels Umbauten wurde der Orgelprospekt von einem nicht benannten, einheimischen Schreiner verbreitert.

Wie man rechts im Hintergrund eines in den 1960er Jahren entstandenen Fotos sehen kann, wurde das Orgelwerk ganz an die Turmwand gerückt (Quelle: Robert Wehn). Interessanterweise wurde der vormals sichtbare Triumphbogen mit Verkleidungen unsichtbar gemacht. Die Tiefe der Orgel betrug maximal ca. 100-130 cm. Man entschloss sich zu dieser Maßnahme, um vor der Orgel genügend Platz für eine Chortribüne zu gewinnen und so ein gemeinsames Musizieren eines bis zu 45 Personen starken Chores und der Orgel zu ermöglichen. Durch die Positionierung des Unterwerks im Rücken des Chores konnten beide Klangkörper von nun an eine musikalische Einheit bilden.

Das sowieso schon knapp disponierte, weidtmannsche Orgelwerk wurde um das kurzbechrige Zungenregister (Vox humana) reduziert und im Tonumfang auf den im 19. Jahrhundert üblichen Tonumfang C-f³ erweitert. Das Instrument behielt seine ursprüngliche Stimmung im „Chorton“. Der Chorton liegt mindestens einen Halbton über der heute üblichen Stimmtontonhöhe.

Die Disposition lautete nach Roetzels Umbau:

Hauptwerk (9 Register)

Principal 8′

Bordun 16′

Gedact 8′

Gamba 8′

Octave 4′

Quinte 2 2/3′

Octave 2′

Mixtur

Trompete B+D 8′

Unterwerk (5 + zwei halbe Register)

Principal 4′

Gedact 8′

Violdigamba 8′

Principal D 8′

Lamento 8′ ab f

Flute traver 4′

Flageolet 2′

Noch immer wurde auf ein Pedal mit eigenen Registern verzichtet. Somit blieb das Instrument weiterhin für ein Literaturspiel nur sehr eingeschränkt nutzbar. Die Pedaltastatur wird aufgrund der geringen Gehäusetiefe einen reduzierten Tonumfang gehabt haben.

Es wird überliefert, dass 1869 eine „gründliche Erneuerung“ durch die Gebrüder Euler aus Gottsbüren durchgeführt worden sei. Was dort genau verändert wurde, ist unbekannt.

Der über 100 Jahre bestehende und zumindest für die Chorarbeit günstige Zustand erodierte nach Orgel 1875 Quelle: Bildarchiv des Bergischen Geschichtsvereins Wermelskirchenund nach. Die romantische Klanglichkeit des Chorwerkes wurde aufgegeben und durch ein von Walcker installiertes Rückpositiv ersetzt. Gleichzeitig oder spätestens mit dem Neubau Peter von 1968 verschwanden die Chortribünen gänzlich und der singende Chor wurde auf eine Seitenempore verlagert. Die aktuelle Peter-Orgel war aus verschiedenen Gründen für die Chorbegleitung nicht sonderlich geeignet und man sang im Schwerpunkt a capella.

Seit dem Jahr 2013 musizieren alle Chöre wieder wie ursprünglich von unten, vom Chorraum aus. Zur Chorbegleitung wurde bis heute noch keine befriedigende Lösung realisiert. Eine Chororgel wird schmerzlich vermisst und die reichhaltige Orgel+Chor-Literatur ist nicht adäquat darstellbar (vgl. hierzu den Artikel „Chororgel“ auf dieser Homepage).

Die Kriegsorgel von E.F. Walcker

Orgel Stadtkirche 1960Ein jüngeres Foto aus dem Jahr 1960 zeigt die 1939 durch die Firma E.F. Walcker aus Ludwigsburg erneut umgebaute Wermelskirchener Stadtkirchenorgel unter Weiterverwendung des vorhandenen Gehäuses. Deutlich zu erkennen sind ein freistehender, elektrischer Spieltisch und ein mit einem Freipfeifenprospekt gestaltetes Brüstungspositiv. Die Orgel war neobarock disponiert und mit 32 klingenden Registern ausgestattet. Die Steuerung erfolgte nach Walckers neuestem System „elektrisch“ (elektropneumatische Taschenladen). DSCI0019Der auf dem obigen Foto erkennbare, freistehende Spieltisch besaß drei Manuale und Pedal und ähnelte der abgebildeten Konsole aus der Pauluskirche in Oberhausen-Lirich.

Die unten abgedruckte Disposition des Werkes zeigt eine für die sogenannte „Orgelbewegung“ typische Dispositon.  Mit diesem Begriff bezeichnet man eine vor allem in Deutschland verbreitete ideologische Strömung zur Wiederbelebung einer vermeintlich barocken Klangästhetik. Das walckersche Werk ist daher vor allem für das Spiel solistischer, barocker Musik aus dem Blickwinkel des Dritten Reiches ausgerichtet.

Die Darstellung romantischer Werke war zu dieser Zeit verpönt und blieb weitgehend außen vor. Als Gegenbewegung zur Romantik sollten bewusst weiche und füllige Klangfarben vermieden werden und hochliegende Stimmen einen klaren und durchsichtigen Klang erzeugen. Daher vermied die Ausstattung der Walcker-Orgel auch entsprechende Klangfarben wie z.B. Streicher.

Leider verbleibt ein guter Teil der Geschichte der Orgeln der Stadtkirche in Wermelskirchen nach wie vor im Dunkeln. Schon 1960 galten alle älteren Akten als verschollen. Nur die jüngste Geschichte des Verkaufs der Walcker-Orgel und die Planung und Ausführung der Peter-Orgel sind durch Schriftverkehr und Bauzeichnungen detailliert dokumentiert.

Disposition der E.F. Walcker -Orgel

Um weitere, bisher noch ungeklärte Geheimnisse unserer früheren Orgeln lüften zu können, suchen wir Menschen, die noch Fotografien oder andere Informationen besitzen und uns weiterhelfen wollen!

An dieser Stelle gilt unser Dank dem Orgelforscher Herrn Heinz J. Clemens aus Mönchengladbach, der uns im November 2018 mit einigen bis dahin unbekannten Informationen versorgte.

Der Orgelneubau von Willi Peter

Im Jahr 1969 wurde ein Neubau der Firma Willi Peter, Köln, unter Verwendung einiger historischer Prospekteile in Betrieb genommen. Die Orgel besteht bis heute und besitzt 28 Register, verteilt auf drei Manuale und Pedal.

Das gewachsene, historische Gehäuse wurde aufgegeben, um dasHauptorgel gewünschte Instrument realisieren zu können.

Die neue Orgel sollte die Bedürfnisse der Musizierpraxis der 1960-er Jahre erfüllen. Ein Instrument in der Art des ursprünglichen zu rekonstruieren, wurde dabei nicht angestrebt. Wohl aber sollte die ursprüngliche Fassade erneut weiterverwendet werden.

Das Petersche Konzept

Hauptorgel

Willi Peter ging den folgenden Weg: Das ehemalige Hauptwerksgehäuse wurde aufgegeben und als freie Nachschöpfung der mutmaßlich ursprünglichen Anmutung unter Weiterverwendung der historischen Fassade ausgeführt. Zur Bauausführung wurden zeitgenössische Materialien verwendet.

In starker Abweichung von einer historischen Anmutung wurden die Seitenfronten des Hauptkorpus stark vertieft, um die Pfeifen des Hauptwerkes, einen Stimmgang und einen Teil des Schwellpositivs aufzunehmen. Der Platz im ebenfalls neu hergestellten Unterkasten wurde mit einem Gebläsemotor und verschiedenen mechanischen und elektrischen Steuerkomponenten ausgefüllt.

In die Front der Orgel wurde ein ausladender und stilistisch unpassender Spielschrank eingefügt. Diesen Spielschranktyp baute Peter bei neuen Instrumenten häufiger ein, wo er erheblich besser harmonierte.

Registertableau

Durch die baulichen Vorgaben des Barockprospektes musste ein für die große Stadtkirche recht eng mensurierter Prinzipal 8′ eingebaut werden. Durch eine knappe Intonation war die Klangausbeute dieser Stimme unzureichend (leise). In der Konsequenz ergab sich ein im Gesamten viel zu schwaches Instrument.

Für das Pfeifenwerk des beim Neubau hinzugetretenen Rückpositivs wurde aus Tischlerplatten ein einfaches, lackiertes Gehäuse errichtet und in die Brüstung gesetzt. Die Aufstellung des Pfeifenwerkes folgt nicht der Gehäusevorgabe, wodurch etliche Pfeifenverführungen und lange Kondukten (Versorgungsschläuche) notwendig wurden. Im Verlauf des Bestehens wurde dem Werk ein helles Obertonregister hinzugefügt.

Die Pfeifen des ebenfalls neu erbauten Schwellpositivs wurden hinterständig fast unsichtbar wie ein Rucksack oberhalb des Hauptgehäuses untergebracht.

Zur Aufnahme des Pfeifenwerks des Pedals wurden zwei freistehende Pedaltürme links und rechts neben dem Hauptgehäuse installiert. Auch hier scheint die eingangs abgebildete Orgelanlage von Kloster Steinfeld in gewisser Weise Pate gestanden zu haben. Allerdings wirken die Proportionen der Pedaltürme in Wermelskirchen seltsam gedrungen. Ein Zungenregister in Achtfußlage wurde in den 1990-er Jahren ausgebaut und gegen eine gebrauchte Posaune 16′ mit halber Becherlänge ersetzt, die bei einer Orgelrestaurierung in Hückeswagen übriggeblieben war.

Die Klangästhetik der 1968er…

Alle Arbeiten an der Peter-Orgel der Stadtkirche Wermelskirchen standen wie schon beim Vorgängerinstrument unter dem Dogma einer sogenannten „Orgelbewegung“. Woraus sich genau die Argumente schöpften, eine zum Walckerinstrument vergleichsweise ähnlich disponierte Orgel zu begründen, ist aus heutiger Sicht unverständlich.

Die neue Orgel besaß, anders als erhaltene Vergleichsinstrumente Walckers, eine besonders kammermusikalische Ausrichtung, der das Grundvolumen fehlte, um den großen Kirchenraum angemessen zu füllen.

Dieser Umstand hatte zur Folge, dass eine Begleitung des Gemeindegesangs fortan nur sehr leise oder hell geschehen konnte und die Orgel weit „ausgefahren“ werden musste, um einigermaßen den Raum zu füllen. Dabei behalf sich ein Organist aufgrund fehlender oder schwacher Grundstimmen dadurch, dass er aus den drei vorhandenen Manualwerken halbwegs passende Register zusammensuchte und die Werke verkoppelte. Unterm Strich blieb so eine ermüdend klingende und kaum sinnvoll registrierbare, faktisch einmanualige Orgel übrig, die ihren Hörerinnen und Hörern nur wenige unterschiedliche Klangfarben bot.

Schallpegelmessungen bestätigten den subjektiven Eindruck fehlender Klangfülle: Unsere Orgel erbrachte mit allen Registern (Tutti) in einem voll besetzten Gottesdienst gespielt, lediglich 78 dB/A. Begleitregistrierungen lagen in der Lautstärke weit darunter, bei kräftigem Singen sogar unterhalb der Hörschwelle. Im Vergleich dazu präsentierte sich die Kantorei mit stolzen 86 dB/A. Die (verstärkte) Sprechstimme unseres Pfarrers brachte angenehm wahrnehmbare 82 dB/A.

Im Oktober 2017 haben elektrische Sicherheitsmängel die Verantwortlichen dazu bewogen, die Peter-Orgel stillzulegen.

Die Orgel wurde wegen Brandgefahr stillgelegt!

10431480_10207566269257420_3789867379470785654_nWas also tun?

Im Juni 2016 hat das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Wermelskirchen beschlossen, dass unsere Orgel nach 50 Jahren Betriebszeit überholt und zur Erzeugung eines Klangs, der auch dem Volumen des Innenraumes unserer Stadtkirche angemessen ist, gründlich überarbeitet und erweitert werden soll. Von der Orgelberatung der EKiR wurden hierzu Konzepte entwickelt und die Voraussetzungen zu ihrer Umsetzung geschaffen.

Um das Orgelwerk Willi Peters ohne einschneidende Veränderungen erhalten zu können, wurde ein Erweiterungskonzept ersonnen, das im Kern aus der Hinzufügung einer wertvollen Orgel der Firma Peter Conacher aus Huddersfield besteht. In diese Planungen sind aktuell die Ergebnisse einer bereits erfolgten Realisierung eines Vergleichsprojektes eingeflossen.

Bauliches

Die Zeit des Wartens erlaubte die Freiheit des Überdenkens und Hinterfragens des bisher geplanten Orgelkonzeptes.

Intensiv hat sich dazu die Orgelsteuerungsgruppe im zurückliegenden Jahr 2018 über die Gestaltung des zukünftigen Orgelkorpus und der Fassade beraten. Die Aufgabenstellung war nun auch mehr als anspruchsvoll: Zum einen benötigen die zugekauften Bestandteile zusätzliches Raumvolumen, andererseits würde man gerne den Platz hinter dem jetzigen Instrument möglichst frei von Orgelteilen halten. Zur Lösung dieser Aufgaben sind weitere Geldmittel für Umgestaltungsmaßnahmen der Ansicht der Orgel notwendig, die man bei früheren Überlegungen noch nicht vorausgesehen hatte.

Die zugeschaltete Orgel- und Bauberatung des Landeskirchenamtes der EKiR (Dipl.-Ing. Architektin, Dipl.-Kommunikationsdesignerin Ilka Gebauer, Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen und OSV Michael Müller-Ebbinghaus) haben dem Presbyterium im November 2018 ein bemerkenswertes, weil schlüssiges und einfaches Umgestaltungskonzept vorgeschlagen.

Das Konzept geht Hand in Hand mit der Planung, den Arbeitsplatz des Organisten von der Orgelanlage zu entkoppeln und an einen liturgisch günstigen Ort, den Chor- und Altarraum zu verschieben. Hierzu würde die Aufgabe des alten und der Bau eines neuen, freistehenden Spieltisches nötig.

Seit der Zurückverlegung der Orgel an die Kirchenwand und der Verbreiterung des Prospektes im Jahr 1839 wurde ein hinter der Orgel befindlicher Triumphbogen mit einer historisch überaus wertvollen, romanischen Doppelarkade aus dem 12. Jahrhundert dauerhaft verdeckt. Beide sind in der Zeichnung mit feinen Linien dargestellt und durch Anklicken in der Vergrößerung erkennbar.

Ein sehr wichtiger Aspekt der aktuellen Planungen ist daher die Wiedersichtbarmachung dieser romanischen Doppelarkade als Zugang zur Michaelskapelle. Hierdurch würde eine bauliche Situation geschaffen werden, die die zur Zeit nahezu unsichtbare Beziehung zwischen dem ottonisch-karolingisch inspirierten, romanischen Erbe aus dem 12. und dem neoklassizistischen Kirchenschiff aus 19. Jahrhundert wiederherstellt.

Unser Kirchenraum zählt wohl nicht zuletzt wegen seiner romanischen Bezüge zu den höchst seltenen Ausnahmen eines preußischen Kirchenbaus, der eine Apsis besitzt. Apsiden sind halbkreisförmig ausgebildete Nischen. Sie wurden bereits in römischen Bauten verwendet, um z.B. eine Kaiserstatue zu beherbergen. In Kirchenbauten befindet sich in der Apsis üblicherweise das Heiligtum, der Altar.

Apsis mit Kanzelwand und Kanzel

Der Bau einer Apsis ist einem reformierten Denken eigentlich vollkommen fremd. Dass er in Wermelskirchen dennoch realisiert wurde, ist bemerkenswert. In der Stadtkirche wurde der untere Teil der Apsis mit einer mit Lanzettenfenstern dekorierten Kanzelwand verschlossen und eine Umkleidekammer integriert. Der Abendmahlstisch wurde in Form eines Kelches davor platziert.

Die Wermelskirchener Apsis befindet sich hinter einem Triumphbogen auf der östlichen Schmalseite der Kirche. Allein im oberen Teil ist der Blick auf das Gewölbe und gestaltete Fenster möglich. Eine geostete Ausrichtung schafft die Verbindung zum Sonnenaufgang, einem Symbol der Auferstehung.

Weiterhin stellt unsere „preußische Apsis“ über ihren Triumphbogen einen Bezug zum gegenüberliegenden, mittelalterlichen Teil der Kirche her und umrahmt vornehm die überhöhte Kanzel als prinzipales Ausstattungsstück des Ostteils der Kirche.

Der dem Kanzelraum gegenüberliegende, zweite Triumphbogen könnte wieder zur Geltung kommen, wenn den Blick störende Orgelumbauungen aus der zentralen Sichtachse herausgenommen würden. Dazu müsste man alle Orgelbestandteile, die nicht in den Hauptkorpus passen, auf neu zu schaffende, seitliche Podeste oberhalb der Treppenaufgänge stellen.

Eine zusätzliche Vorverlegung des Hauptorgelkorpus in die Brüstung würde die erhaltene romanische Doppelarkade von den Treppenaufgängen aus wieder erlebbar machen und einen angemessenen Zugang zur Michaelskapelle wiederherstellen.

Durch diese Maßnahmen entstünde entgegen dem bestehenden Zustand ein wohlproportioniertes Gegenüber von Ecclesia und Musica. Bitte klicken Sie das folgende Bild an und genießen Sie den Blick auf die Westempore.

Fotomontage: Vorschlag zum Umbau zur Brüstungsorgel, noch ohne ausgestalteten Unterbau

Ausblicke und Zukunftsmusik

Die Dinge verändern sich. Wer hätte wohl im Jahr 1713 gedacht, dass sich aus einer kleinen Organistenstelle, die von einem Dorfschullehrer versorgt wurde, im 20. und 21. Jahrhundert schon die dritte B- und A- Kantorenstelle in Folge entwickeln würde. Alle Kirchenmusiker haben einen merklichen Einfluss auf das geistliche Musikleben in unserer Stadt gehabt. Letzlich trugen und tragen sie auch zur Entwicklung und zu Veränderungen der Kirchenorgeln bei.

Hierbei ist eine große Renovierung, wie sie alle 50 bis 100 Jahre ansteht, jeweils der geeignetste Zeitpunkt, nicht nur für die Konservierung eines womöglich aus der Mode gekommenen Orgeltyps, sondern vielmehr für die Weiterentwicklung eines Instrumentes mit einem kreativen Blick in die Zukunft zu sorgen.

Die Stadtkirche etabliert sich als größte Evangelische Kirche der Stadt immer mehr als ein Zentrum von breitgefächerten kirchenmusikalischen Aktivitäten (siehe auch diese Homepage). Mit dem geplanten Orgelerweiterungbau soll zum gottesdienstlichen das konzertante Orgelspiel neu erschlossen werden, welches sich in Wermelskirchen mangels geeigneter Instrumente bisher nicht entwickeln konnte.

Diese „Zukunftsmusik“ beginnt für die Mitarbeitenden im Fachbereich Kirchenmusik mit einer Nachwuchsarbeit mit den Kleinsten. So wird parallel zur Chorarbeit mit kleinen und großen Kindern, eine populare Orgelmusik mit ihren vielen verschiedenen Ausrichtungen vom Kinderorgelkonzert bis zum Jazzabend Einzug in den Musikbetrieb halten, sowie ein in Wermelskirchen noch unentdecktes klassisches Repertoire zur populären Musik werden. Die Musiker stehen schon jetzt in den Startlöchern. Unsere drei Maskottchen, Chorrabe Karl-Heinz mit Orgelix und Orgelinchen, warten schon ganz ungeduldig darauf …